Herzlich willkommen
staunen – danken – auftanken
Ja, oft geht das unter Verwandten nicht gerade feierlich zu. Da stehen meist unausgesprochen die Verletzungen im Vordergrund. Es wird nicht mehr miteinander gesprochen oder Bedingungen werden gestellt: «Erst muss die sich entschuldigen, nur wenn die oder der sich so oder so verhält, dann ist ein weiterer Kontakt möglich.» Einmal bekam ich in einem Trauergespräch von der hinterbliebenen Ehefrau einen Brief des Verstorbenen gereicht, in dem stand: «Meine Kinder dürfen nicht an der Trauerfeier teilnehmen».
Lieber Leser, liebe Leserin, soweit kann der Ärger dann gehen. «Was soll ich machen, wenn ich erpresst werde?», fragte mich neulich eine ältere Frau. «Mein Sohn möchte nicht mehr, dass ich Kontakt zu seiner ersten Frau habe, sonst dürfe ich die Kinder, die er mit seiner 2. Frau hat, nicht mehr sehen. Ich kann jetzt nicht mehr ruhig schlafen» fuhr sie fort. «Hinzukommt: Die neue Partnerin hasst mich und lässt kein gutes Wort an mir». Tröstlich ist es nun zu wissen, dass Jesus ebenfalls Probleme mit seiner Verwandtschaft hatte. Bei Markus 3,31-35 lesen wir: «…Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.» (34b.35) Wir spüren den Versen Jesu eine klare und eindeutige Haltung ab. Verbiegen brauchen wir uns nicht und wir lassen uns auch nicht den Mund um des lieben Friedens willen verbieten. Ungerechtes Verhalten sprechen wir mutig an. Denn wir wissen, dass unsere Familie im Vertrauen auf Jesus grösser als die leibliche ist. Auch in dieser Gemeinschaft gibt es "wahre" Ver-wandte. Das sind Menschen, die uns wertschätzen und uns mit unseren Problemen nicht allein lassen. Patentrezepte gibt es nicht. Ja, das Leben ist nicht einfach. Und hier liegt meines Erachtens schon eine Hilfe. Wenn es nicht einfach ist. Dann ist es zweifach, drei-, vier- oder mehrfach. Das könnte dann heissen: Wir erblicken im Konflikt mit unserem Verwandten nicht nur die Verletzung, meine, sei-ne, unsere, sondern in einem oder mehreren «anderen Fächern» Leichtes, Lustiges, Beschwingtes. Und das tut hoffentlich schon einmal gut. Wir kommen weg vom Hassen müssen. Denn der andere ist (oder ich bin) in der Regel nicht nur blöd oder gemein. Da war doch auch Schönes und auf einmal habe ich auch ein bisschen Freude an meinem Bruder oder der Schwester und die angenehmen Ge-fühle nehme ich mit (hoffentlich ins nächste Gespräch und nicht nur die Verletzung…). Ich denke, dann nähern wir uns dem «Willen Gottes», so wie Jesus es formuliert hat, ein klein bisschen an.
Auf kein einfaches, sondern «mehrfaches» Leben.
Euer Pfarrer Volker Houba